Lebensweise der Fungi (Pilze)
Auch wenn man sich nicht eingehender mit Pilzen beschäftigt hat, so fällt doch auf, dass Wachstum und Vorkommen von Pilzen gewissen Gesetzmäßigkeiten unterworfen zu sein scheinen. Dies beginnt damit, dass es im Jahreslauf nicht immer gleich viele Pilze zu beobachten gibt. Bei geeigneter Witterung jedoch können sie sprichwörtlich „aus dem Boden schießen“.

Auf den ersten Blick scheinen sie nicht wählerisch zu sein. Im Haushalt kann so ziemlich alles verschimmeln und auch in der Natur findet man Pilze auf allen möglichen Substraten: auf dem Boden, auf toten oder lebenden Pflanzenteilen, ja auch der Mensch wird von Pilzen besiedelt. Alle diese Standorte haben jedoch eines gemeinsam: sie sind organische Natur. Diese Feststellung erscheint trivial, verrät aber etwas über die Lebensweise der Pilze. Pflanzen zum Beispiel können sich den für ihre Entwicklung notwendigen Kohlenstoff selbst bereitstellen, indem sie Photosynthese betreiben. Tiere und Pilze besitzen jedoch kein Chlorophyll und müssen daher jenen Kohlenstoff aus bereits existierendem organischen Material beziehen. Diese Ernährungsweise nennt man Heterotrophie1. Diese Ernährungsweise haben Pilze mit Tieren gemeinsam. Während jedoch zum Beispiel der Mensch die Nahrung über den Mund aufnimmt und im Inneren des Körpers verwertet, so scheidet das Pilzmycel Enzyme aus, welche die Nahrung extrazellulär aufschließen, um dann die dadurch entstandenen einfacheren chemischen Verbindungen zu absorbieren2.
Saprobionten
Zurück zu unseren Anfangsbeobachtungen. Die augenscheinlichste Tatsache ist, dass Pilze häufig totes organisches Material besiedeln. Sie zersetzten dieses dabei und erfüllen damit eine wichtige Aufgabe im Ökosystem. Pilze, die totes organisches Material abbauen und verwerten nennt man Saprobionten. Die meisten unserer einheimischen Großpilze ernähren sich auf diese Weise.

Parasiten
Um während eines Waldspazierganges eine weitere mögliche Ernährungsweise von Pilzen kennen zu lernen, muss man schon etwas genauer beobachten. Oftmals fallen konsolenförmige Pilze auf, welche an lebenden Bäumen wachsen. Nun stellt sich natürlich die Frage, wovon diese Pilze leben. Man könnte vermuten, dass sie sich von der toten Rindenoberfläche ernähren. Wenn man jedoch ganz genau beobachtet, so stellt man fest, dass das Holz in der Nähe des Pilzes verfärbt ist und eine veränderte Konsistenz aufweist. Der Pilz zersetzt also das Holz und macht sich die darin enthaltenden Nährstoffe verfügbar. Offensichtlich schadet der Pilz dem Baum mit dieser Lebensweise, da er damit dessen Stand und Nährstoffversorgung behindert. Pilze, welche von lebenden Organismen zehren und diese dabei schädigen, heißen Parasiten3. In diesem Zusammenhange ist folgendes Phänomen bemerkenswert. Der Zunderschwamm (Fomes fomentarius) beginnt sein Leben in der Regel als Parasit. Wenn er den Wirtsbaum zum Absterben gebracht hat, kann er jedoch als Saprobiont weiterleben. Hin und wieder findet man dann Fruchtkörper an liegenden, toten Bäumen, die seltsam verwinkelt aussehen. Der Pilz ist immer bestrebt, die Röhren senkrecht zu stellen, damit die Sporen ungehindert ausfallen können. (Geotropismus). Wenn nun der Wirtsbaum abgestorben und umgefallen ist, stehen die Röhren in der ursprünglichen Fruchtschicht nicht mehr senkrecht, sondern in der Regel plötzlich waagerecht, was nun die Ausbreitung der Sporen behindert. Um also den Sporen wieder bessere Ausbreitungsmöglichkeiten zu geben, wächst die nächste Fruchtschicht so heran, dass die Röhren wieder senkrecht stehen. Dadurch entstehen die eigentümlich verwinkelten Fruchtkörper4.

Symbionten
Die dritte Lebensweise, welche es zu besprechen gilt, wird dem nicht pilzinteressierten Wanderer nicht sofort bewusst. Wer sich jedoch für das Sammeln von Speisepilzen interessiert, bemerkt schnell, dass viele seiner Lieblinge nur unter bestimmten Bäumen wachsen. Die Marone (Xerocomus badius) zum Beispiel findet man unter Kiefern, Fichten und seltener Buchen. Der Birkenpilz (Leccinum scabrum), wie der Name schon sagt, nur unter Birken. Pfifferlinge (Cantharellus cibarius) findet man dagegen unter Fichten, insbesondere unter jüngeren Exemplaren, seltener auch im Laubwald unter Eichen. Die Liste dieser Gemeinschaften ließe sich beinahe beliebig verlängern. Diese Vergesellschaftung hat ihren Grund. Viele Pilz- und Baumarten gehen miteinander eine Verbindung ein, die für beide Seiten Nutzen bringt. Diese nennt man Mykorrhiza und Pilze, welche eine solche bilden, Symbionten. Dabei umspinnt das Mycel die feinen Wurzelspitzen und ermöglicht es damit dem Baum leichter Wasser aufzunehmen. Im Gegenzug erhält der Pilz wichtige Nährstoffe, welche er sich sonst nur schwer oder gar nicht beschaffen könnte5. Die Mykorrhiza ist jedoch nicht die einzige Symbiose, welche von Pilzen eingegangen wird. So sind Flechten, welche als einheitliche Organismen erscheinen, in Wirklichkeit eine symbiontische Lebensgemeinschaft von bestimmten Algen mit gewissen Pilzen. In der Regel handelt es sich bei letzteren um Schlauchpilze (Ascomycota), allerdings sind auch lichenisierte (=flechtenbildende) Ständerpilze (Basidiomycota) bekannt, zum Beispiel aus der Gattung der Nabelinge (Omphalina s. l.)6.
1 Madigan M., Martinko, J. & Parker, J., begr. von Brock, T. (2003): Mikrobiologie, 813. 2. korrigierter Nachdruck. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin, Heidelberg.
2 Campbell, N. (2000): Biologie, 627. 2. korrigierter Nachdruck. Spektrum Akademischer Verlag, Oxford, Heidelberg, Berlin.
3Braun, U. in Dörfelt, H. (Hrsg.) (1988): BI Lexikon Mykologie – Pilzkunde, 284 ff. 1. Auflage.VEB Bibliographisches Institut, Leipzig.
4Dörfelt, H. in Dörfelt H. (Hrsg.) (1988): BI Lexikon Mykologie – Pilzkunde, 172 f. 1. Auflage. VEB Bibliographisches Institut, Leipzig.
5 Dörfelt, H. in Dörfelt H. (Hrsg.) (1988): BI Lexikon Mykologie – Pilzkunde, 264. 1. Auflage. VEB Bibiliographisches Institut, Lepzig.
6 Dörfelt, H., Stordeur, R. & Hirsch, G. in Dörfelt, H. (Hrsg.) (1988): BI Lexikon Mykologie – Pilzkunde, 235 ff. 1. Auflage. VEB Bibliographisches Institut, Leipzig.